Ein Trübes Kapitel: Nachahmungen und Fälschungen [Anmerkung Manuel: Juni 1949]
Im Interesse unserer Leser und der weiteren Fachwelt beabsichtigen wir, laufend Einzelheiten über Fälschungen zu veröffentlichen, die geneigt sind, den Käufer zu enttäuschen und den Ruf der deutschen Erzeugnisse zu schädigen. Wir beginnen mit einer Stellungnahme der Firma Carl Zeiss, Jena.
Während der Demontage im Winter 1946 auf 1947 sind, teils durch Werksangehörige, teils durch Aussenstehende, die während dieser Zeit Zutritt zum Werk hatten, Objektive im fertigem und halb-fertigem Zustand, teils auch nur in Einzelteilen, herausgeschafft und fremden Stellen in die Hand gespielt worden. Soweit es sich um fertige oder fast fertige, jedenfalls schon geprüfte Objetive handlete ist eine Schädigung unseres Namens kaum einegtreten. Anders liegt der Fall bei den aus Einzelteilen von anderer Seite mit mehr oder minder Geschick und Glück zusammengebastelten Objektiven. Nur da, wo Objektive errechnet und hergestellt werden, kennt man die genauen Daten und Maße, die beim Fassen umgedingt eingehalten wuerden müssen, soll jedes Objektiv die vorgeschriebene Leistung haben. Linsen aus verschiedenen Fabrikationsserien kann man nicht ohne weiteres zu einem vollwertigen Objektiv kombinieren. Darum kehren sich die Pfuscher aber nicht, wenn dur das Objektiv äusserlich wie "Zeiss" aussieht und auch so graviert ist.
Wir haben sogar in einigen Fällen Gelegegenheit gehabt festzustellen das einzelne Linsen fehlten.
Ein großer Teil der gefälschten Objektive ist dem sorgfältigem Beobachter äußerlich an der schlechten Gravierung der Entfernungen und Meterteilung oder der üblichen Objektivbeschriftung zu erkennen. Auch die vielfach ganz willkürlich gewählten Fabrikations-Nummern berechtigen Zweifel an der Echtheit, wenn sie bei Sonnaren unter der Zahl 2 000 000 liegen.
Ein anderes Zeichen für die Echtheit ist bei den bis zur Demontage gefertigten Objektiven die Gravierung der Hinterlinsenfassung mit den 5 oder 6 letzen Stellen der vorn eingravierten Fabrikations Nummer. Allerdings ist diese Nummer nicht bei allen Objekiven sichtbar, also dem Betrachter nicht ohne weiteres zugänglich.
Seit vorigem Jahr [Anmerkung Manuel: 1948] sind an vielen Stellen Objektive mit der Gravierung Sonar 1,5/5.8cm (oder 6 cm) aufgetaucht, vereinzelt auch mit der Gravierung 5 vm. Hauptsächlich werden diese Objektive in Fassungen für die Leica angeboten. Die Gravierung lautet mitunter "Leica-Sonnar" ohne jede Firmenbezeichung, während manche auch mit Carl Zeiss, Jena, graviert sind.
Es handelt sich bei diesen Linsen um während des Krieges von anderer Seite [Anmerkung Manuel: wahrscheinlich CZJ möchte sich von der Kriegsbeteiligung hier distanzieren] für Sturzvisiere nach einer Sonnarform hergestellte Objektive, in einer ziemlich Fohen Fassung ohne Irisblende und ohne jede weitere Beschriftung. Es ist anzunehmen, daß verschiedene Werkstätten, die leider noch nicht ermittelt werden konnten, diese Objektive umgefaßt und ergänzt haben. Die Käufer derartiger Objektive haben verschiedentlich bei uns wegen der schlechten Bildqualität reklamiert. Selbstverständlich lehnen wir jede Nachprüfung und Instandsetzung ab und versuchen die Objektive aus dem Verkehr zu ziehen.
Die starke Nachfrage nach Tele-Objektiven für Kleinbildkameras hat einige Firmen veranlaßt, Triplets herzustellen und sie mit unserem geschützten Namen Triotar und auch mit unser Firma [Anmerking Manuel: Firmennamen sic] zu gravieren. Einer Firma wurde inzwischen das Handwerk gelegt.
Durch eine Anzeige in verschiedenen Fach- und Tageszeitungen haben wir vor dem Ankauf von unter der Hand angebotenen Objektiven gewarnt und gebeten, vorher unter Angabe der vollen Beschriftung und der Fabrikationsnummer anzufragen ob es sich von einem Original-Zeiss-Fakrikat handelt. Eine sichere Feststellung ist natürlich nur an Hand des betreffenden Objektivs möglich, da wir an Hand der Nummer nur feststellen können ob darunter ein Objektiv der angegebenen Art von uns hergestellt worden ist. Die Fälscher können nämlich absichtlich oder zufällig eine Nummer aufgraviert haben, unter der tatsächlich ein gleiches Objektiv von uns hergestellt und ausgeliefert worden ist.
Nötig scheint uns noch ein Hinweis zu sein, daß auch der gutgläubige Käufer an gestohlenem Gut kein Eigentumsrecht erlangen kann. Wird so ein Objetkiv beschlagnahmt, so kann sich der Besizer immer nur an den frühren Verkäufer halten.
CARL ZEISS, JENA, Abt. für Photographie